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Stechmückenbekämpfung mit Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) –

ökologische Effekte auf die Nahrungskette in Feuchtgebieten und Akzeptanz von Alternativen in der Bevölkerung

 

Das Bakterium Bacillus thuringiensis var. israelensis (Bti) ist das weltweit am häufigsten eingesetzte biologische Insektizid zur Stechmückenbekämpfung. Die Bekämpfung verfolgt dabei zwei Hauptziele: die Kontrolle vektorübertragener Krankheiten und die Reduktion der Belästigung durch Stechmücken, die massenhaft in temporären Feuchtgebieten schlüpfen. Eines der seit Jahrzehnten mit Bti behandelten Gebiete ist das Oberrheintal, einer von Deutschlands 30 Hotspots der Biodiversität. Die Feuchtgebiete am Oberrhein werden bis zu 12-mal jährlich behandelt, um die Belästigung durch Stechmücken in der Bevölkerung zu reduzieren und somit das menschliche Wohlbefinden zu steigern. Obwohl Bti bisher als umweltfreundlicher Wirkstoff angesehen wurde, werden negative Auswirkungen auf die Ökosysteme von Feuchtgebieten und insbesondere die langfristigen und indirekten Auswirkungen auf Nichtzielorganismen fortlaufend wissenschaftlich diskutiert. Angesichts dessen hatte diese Arbeit zum Ziel, direkte und indirekte Auswirkungen der Stechmückenbekämpfung mit Bti auf Nichtzielorganismen innerhalb der Nahrungsketten von Feuchtgebieten zu untersuchen. Im Fokus stand dabei mögliche Auswirkungen auf die nicht-stechenden Zuckmücken (Chironomidae) und Amphibienlarven (Rana temporaria, Lissotriton sp.), die in Studien mit zunehmender öko(toxiko)logischer Komplexität, von Laborexperimenten über Mesokosmos- bis hin zu Freilandstudien, untersucht wurden. Darüber hinaus wurde im Rahmen von Befragungen der betroffenen Bevölkerung die Akzeptanz von umweltschonenderen alternativen Methoden zur Stechmückenbekämpfung abgeleitet und bewertet.

Zuckmücken waren die am stärksten betroffenen aquatischen Nichtziel-Invertebraten. Die Behandlung mit Bti führte zu einer beträchtlichen Reduktion der Anzahl von Larven als auch adulten Zuckmücken und änderte deren Artzusammensetzung. Die Effekte einer erheblich verringerten Mückenbiomasse könnten sich somit gleichermaßen auf aquatische sowie auch terrestrische Nahrungsketten auswirken und indirekt auch Räuber höherer trophischer Ebenen beeinflussen. Eine wiederholte Exposition gegenüber häufig verwendeten Bti-Formulierungen führte bei Kaulquappen zu subletalen Effekten, gezeigt durch Veränderungen von enzymati­schen Biomarkern. Darüber hinaus wurden Molchlarven in Mesokosmenexperimenten durch die verringerte Verfügbarkeit von Zuckmücken als Beute indirekt beeinflusst. Molchlarven waren erhöhter Prädation durch weitere Räuber ausgesetzt und gingen nach  der Metamorphose als kleinere Individuen an Land.

Unter solchen Umständen wäre die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung bereit, einen finanziellen Beitrag zu einer umweltschonenderen Stechmückenbekämpfung zu leisten. Alternative Bekämpfungskonzepte könnten zum Beispiel eine weitere Anwendung von Bti beinhalten, jedoch unter Ausnahme der Behandlung von ökologisch wertvollen Feuchtgebieten. Da Stechmücken in der häuslichen Umgebung als besonders lästig empfunden wurden, könnte einem erhöhten Vorkommen von Stechmücken in häuslichen und städtischen Gebieten mit lokal wirkenden Stechmückenfallen vorgebeugt werden.

Aufgrund der möglichen negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme in Feuchtgebieten sollte die großflächige Ausbringung von Bti vor allem in Naturschutzgebieten sorgfältiger geprüft werden, um schädliche Folgen für die Umwelt am Oberrhein und anderen Behandlungsgebieten zu vermeiden. Diese Arbeit verdeutlicht, dass die derzeitige Praxis der Stechmückenbekämpfung überdacht und die Forschung an alternativen und von der Bevölkerung unterstützen Konzepten in Zukunft intensiviert werden sollte. Um die Biodiversität in Feuchtgebieten zu erhalten, sollten weitere vom Menschen verursachte Auswirkungen weitgehend vermieden werden, vor allem vor dem Hintergrund des anhaltenden Populationsrückgangs bei Amphibien sowie bei Insekten.

 

Teile der Arbeit wurde in folgenden wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht:

Allgeier, S., Friedrich, A., Brühl, C.A., 2019. Mosquito control based on Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) interrupts artificial wetland food chains. Sci. Total Environ. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2019.05.358

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969719324118

Allgeier, S., Frombold, B., Mingo, V., Brühl, C.A., 2018. European common frog Rana temporaria (Anura: Ranidae) larvae show subcellular responses under field-relevant Bacillus thuringiensis var. israelensis (Bti) exposure levels. Environ. Res. 162, 271–279. https://doi.org/10.1016/j.envres.2018.01.010

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969719324118?dgcid=author

Allgeier, S., Kästel, A., Brühl, C.A., 2019. Adverse effects of mosquito control using Bacillus thuringiensis var. israelensis: Reduced chironomid abundances in mesocosm, semi-field and field studies. Ecotoxicol. Environ. Saf. 169, 786–796. https://doi.org/10.1016/j.ecoenv.2018.11.050

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0147651318311862

Kästel, A., Allgeier, S., Brühl, C.A., 2017. Decreasing Bacillus thuringiensis israelensis sensitivity of Chironomus riparius larvae with age indicates potential environmental risk for mosquito control. Sci. Rep. 7. https://doi.org/10.1038/s41598-017-14019-2

https://www.nature.com/articles/s41598-017-14019-2

Theissinger, K., Kästel, A., Elbrecht, V., Makkonen, J., Michiels, S., Schmidt, S., Allgeier, S., Leese, F., Brühl, C., 2018. Using DNA metabarcoding for assessing chironomid diversity and community change in mosquito controlled temporary wetlands. Metabarcoding Metagenomics 2, e21060. https://doi.org/10.3897/mbmg.2.21060

https://mbmg.pensoft.net/articles.php?id=21060

Theissinger, K., Röder, N., Allgeier, S., Beermann, A.J., Brühl, C.A., Friedrich, A., Michiels, S., Schwenk, K., 2019. Mosquito control actions affect chironomid diversity in temporary wetlands of the Upper Rhine Valley. Mol. Ecol. 28, 4300–4316. https://doi.org/10.1111/mec.15214

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/mec.15214